Die Villa Pignatelli in Neapel ist ein magischer Ort. In ihrem Rücken klettern die Paläste des Vomero den Hügel hinauf, nach vorne öffnet sie sich zur Riviera di Chiaia hin, zum Meer.
An diesem Donnerstag ist der Eintritt frei. Schulklassen. Schulklassen vor der Villa, im Gras. Schulklassen im Foyer. Schulklassen auf der Treppe in den ersten Stock. Selfies vor den opulenten Lüstern, drängeln und kreischen, Lehrerinnen heiser. Auch im Museo Madre am Morgen schon – Schulklassen. Ausflug in die zeitgenössische Kunst. Ob der Donnerstag Ausflugtag ist in Napoli?
1826 im Auftrag des britischen Barons Ferdinand Richard Acton erbaut (man schreibt, dass der neapolitanische Architekt Pietro Valente rund zwanzig Varianten vorgeschlagen hat, bis der anspruchsvolle Bauherr letztendlich zufrieden gewesen ist), ging die Villa Pignatelli in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts in den Besitz der Rothschild über – die Frankfurter Bankiersfamilie in Neapel? Offenbar hatte die Wiener Filiale der Rothschild-Bank 1820 dem Fürsten Metternich einen hohen Kredit zum Unterhalt der österreichischen Truppen in Neapel gewährt. Woraufhin Carl Mayer von Rothschild, zur Abwicklung und Kontrolle der Finanzierung, in Neapel eine Filiale des Frankfurter Stammhauses eröffnet hat – C.M. de Rothschild e figli, Napoli.
Später war die Villa im Besitz des Principe Diego Aragona Pignatelli Cortés, Duca di Monteleone. Von den Pignatelli – Adelsfamilie molto raffinati nei gusti e nei modi, wie Wikipedia schreibt – hat sie ihren Namen. Die Pignatelli machen aus der Villa einen Treffpunkt kultureller wie intellektueller Haute volèe, einen Salon des neapolitanischen und europäischen Adels. Aus dem Besitz der Pignatelli stammt auch die umfangreiche Sammlung von Porzellan, Büchern etc. die noch heute in der Villa zu besichtigen ist. Nessun oggetto potesse essere distratto a far parte di altre collezioni, so hat es die Principessa Rosina Pignatelli verfügt.
Die Villa umgibt ein Park im englischen Stil, der, was für Gärten ungewöhnlich ist, außergewöhnlich gut erhalten ist. Mächtige Palmen streben in die Höhe, Puschel auf langem, schmalen Stamm. Seltene Gewächse: neben Steineichen, Pinien, Magnolien, ein imposanter Ficus magnolioidesa am Eingang, auch aus dem botanischen Garten in Palermo bekannt. Auf dem Rasen vor der hinteren Hausfront Camelia japonica und Strelitzia augusta: Paradiesvogelblumenpflanzen, riesig, kugelrund. Diese wunderbaren Blumen habe ich zuvor noch nie ein einem Garten wachsen sehen. Immer aus Vasen oder Blumensträußen ragte der lange vogelähnliche Kopf hervor. Hier scheint es ein ganzer Vogelschwarm zu sein, Köpfe ragen aus dem Blättergrün, schauen nach hier, nach dort, die verdorrten strubbeliges Kaktusgewächs. Die Blüten der Strelitzia reginae erinnern mit ihren leuchtenden Farben und eigenwilligen Form tatsächlich an einen Paradiesvogel aus dem Reich der Fantasie. Diese wundersame Blume, Strelitzia reginae, wurde um 1773 nach der britischen Königin Sophie Charlotte, geborene von Mecklenburg-Strelitz, benannt.
Beim Verlassen des Gartens wende ich mich nochmals um – klassizistisch die Villa, mit dorischer Tempelfront, die Wände rot. Pompejanisch rot, die Farbe Napolis (während es in Rom eher ein Terracottaton ist). Im Inneren rosé und golden, eklektizistischer Stil, neobarock. Auch ein pompejanisches Kämmerchen war dabei.
Palmen, Gras. Gänseblümchenzeit. wie hier wohl die Stimmung zur Zeit der Grandtour war?