Wäre Goethe ein paar Jahrzehnte später nach Italien gereist, hätte er sicher einen Abstecher nach Olevano Romano gemacht. Wer sich in der Kunst- und Kulturszene bewegt, dem mag der Name ein Begriff sein. Die Präsenz ausländischer, und vor allem deutscher Künstler hat in Olevano Romano eine lange Tradition.
Im frühen 19. Jahrhundert kommen zahlreiche, vor allem deutsche Maler aus Rom nach Olevano und San Vito Romano gereist und entdecken die Hügellandschaft, die wir heute gerne als malerisch bezeichnen, als idealtypisches Motiv für die Malerei der Romantik.
Während seines zweiten römischen Aufenthaltes, im Juni 1787, reist Goethe zusammen mit dem Maler Philipp Hackert nach Tivoli und beschreibt die Landschaft dort als eine Bekanntschaft die uns im tiefsten Grunde reicher macht. Goethe, dessen Interesse vor allem der römischen Antike gilt, wird in der Gesellschaft Hackerts zu einem frühen Romantiker. Er lobt die Meisterschaft Hackerts, die Natur zu zeichnen, und Hackert macht Goethe in diesen Tagen in Tivoli den Vorschlag, achtzehn Monate in Italien zu bleiben und [mich] nach guten Grundsätzen zu üben; nach dieser Zeit, versprach er, sollte ich Freude an meinen Arbeiten haben.
Philipp Hackert sei nach Subiaco, Palestrina und Paliano gereist, schreibt Hanno-Walter Kruft in seinem Aufsatz Olevano und die Deutschen 1994. Er dürfte wohl über Olevano gekommen sein. Was, wenn Goethe die Einladung Hackerts angenommen hätte, weitere achtzehn Monate in Italien geblieben wäre, um mit seinem Malerfreund zu zeichnen und die Umgebung Roms zu bereisen? Er hätte wohl lange vor Joseph Anton Koch, der rund 20 Jahre später als künstlerischer Entdecker Olevanos gilt, die Hügel um Olevano Romano gepriesen, vielleicht die Gastfreundschaft der Familie Baldi genossen und seine Eindrücke in der Italienischen Reise niedergeschrieben.
In Olevano Romano hätte Goethe dann vielleicht Corot getroffen (ja, wir wissen, dass Corot noch nicht einmal geboren war…) Aber Corot war wirklich hier. Im Louvre hängt ein Gemälde von Camille Corot, auf dem die Hügellandschaft rund um Olevano abgebildet ist.*
Wir haben uns auf die Suche gemacht und im Castello Colonna, ganz oben im Borgo antico von Olevano, das Fenster gefunden, von dem aus Corot diese wunderbare Hügellandschaft skizziert haben muss. Vielleicht hätte Goethe zusammen mit Corot die Familie Colonna, die im Mittelalter die Umgebung beherrscht hat, besucht oder auch die Familie Marcucci, die eine wunderbare Sammlung italienischer Kunst des 20. Jahrhundert im Castello zurück gelassen hat. Goethe hätte in der Sala rinascimentale im zweiten Obergeschoss gespeist, mit Corot aus dem Fenster geguckt und sich Notizen gemacht: Die Gegend ist sehr angenehm, der Ort liegt auf einem Hügel, vielmehr an einem Berge, und jeder Schritt bietet dem Zeichner die herrlichsten Gegenstände.
*Panorama de la campagne romaine. Les monts Prenestini vus d’Olevano (Italie), 1825-28