Nach Italien! … Im Morgengrauen stiehlt sich Goethe heimlich davon und nimmt das große Abenteuer auf sich, überquert die Alpen in einer Postkutsche, schläft in einfachen Herbergen und erreicht schließlich Rom. Bis heute ist die Reise nach Italien mit einem Mythos belegt, Orte wie Venedig, Rom, die Küste von Amalfi oder die Hügel der Toskana sind Sehnsuchtsorte geblieben.
Goethes Italienische Reise ist bis heute ein großes Vorbild, in ihrem Wesen, das weit mehr als eine Beschreibung ist. Ein literarisch anspruchsvoller Reisebericht, Notizen eigener Eindrücke von Regionen, der Natur und Sehenswürdigkeiten. Ein Reisetagebuch ist immer eine subjektive Annäherung, ein aufzeichnen dessen, was für uns merkwürdig ist.
Reisen war anders damals, mit großer Mühe und Unbequemlichkeiten verbunden, und erforderte viel Zeit. Heute ist vieles leichter geworden, erreichbar. Wir kommen und gehen. Und dennoch finden wir manchmal einen Ort, an dem wir bleiben. Und schauen von dort in die Welt. Der Blickwinkel ändert sich und wir entdecken neue Orte, Menschen und Kulturen.
Auf Reisen sein und darüber berichten heißt auch regionale Einschränkungen zu treffen. Meine Spaziergänge und Aufzeichnungen bewegen sich in der Region, die heute in Italien als Centro-Sud bezeichnet wird. Ein Streifen des Stiefels zwischen Mittelitalien und dem Süden, der nicht mehr Toskana und noch nicht der Mezzogiorno ist.
Ein Reisetagebuch bedeutet mehr als Entdeckungen abseits touristischer Pfade, die nicht in jedem Reiseführer stehen. Es gilt einen individuellen Blick zu werfen auf Kunst- und Architekturgeschichte, Orte und Menschen zeitgenössischer Kultur aufzuspüren, sich über Natur, Geschichte und kulinarische Spezialitäten einer Region zu nähern, alt und neu zu verbinden, in zwei Kulturen zu leben.
Meine Italienische Reise dauert an, und ich habe zahlreiche Menschen getroffen, die mit großer Herzlichkeit Gäste empfangen und sich für Kunst und Kultur engagieren, alte Häuser herrichten oder traditionelle Rezepte aufspüren und neue Gerichte zaubern. Ohne diese Menschen ist meine Italienische Reise nicht vorstellbar. Meinen italienischen Freunden möchte ich diesen Blog widmen.
Dr. Sonja Müller
Kunsthistorikerin, Kuratorin, Autorin. Lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und in Olevano Romano bei Rom.